Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis, 9. Juni 2024,
über Epheser 2,17-22 in der Evangelischen Stadtkirche Durlach

von Pfarrer Thomas Abraham

Epheser 2,17-22
17Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.

19So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.



Liebe Gemeinde!

„Neigschmeggde“ sind ursprünglich nicht von hier; sind also zwar „Durlacher“, können aber nie „echte Dorlacher“ werden. Ich frage einfach mal in die Runde: Wer ist denn „neigschmeggd“? und wer „Dorlacher“?
Bemerkenswert ist, dass im Badischen und im Schwäbischen trotz aller Unterschiedlichkeit und Rivalität für die Nachbarn mit Migrationshintergrund derselbe Ausdruck verwendet wird. In der Pfalz sind das die „Roigeplaggde“.
Neigschmeggde und Roigeblaggde – beides sind keine freundlichen, wertschätzenden Begriffe. Aber selbst die scheinbar neutralen Begriffe, die im Bemühen um politische Korrektheit erfunden oder verwendet werden wie „Neubürger“ oder „Zugezogene“, haben irgendwie immer den Beigeschmack eines Makels. Die nachträglich Dazugekommenen sind eben nicht echt, nicht ganz richtig, irgendwie überflüssig oder zweitklassig.

Bei Gott ist für solchen Eingeborenenstolz kein Platz. Christus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.

Frieden ist die gemeinsame Botschaft und der gemeinsame Auftrag Gottes an die Menschen, denen er seine Nähe schenkt. Frieden zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft durch die Zugehörigkeit zu Gott – über die Grenzen der Religion hinweg, denn der eine Gott ist der Gott der Juden und der Christen (und ich ergänze: der Gott der Muslime). Wer immer sich für Hass, Ausgrenzung oder Gewalt gegen andere auf Gott beruft, missbraucht damit Gott. Das gilt für Juden, Christen und Muslime in gleicher Weise. Nachahmenswerte Vorbilder gibt es bei allen Dreien – genauso wie erschreckende und abschreckende Beispiele von fehlgeleiteten Fanatikern, die ihre eigene Religion nicht verstanden haben.

Am 7. Oktober 2023 hat mit dem terroristischen Angriff der Hamas der schon lange bestehende Konflikt zwischen Israel und Palästina eine neue, noch einmal brisantere Stufe erreicht. Auch wenn es manchmal so erscheint oder dargestellt wird: Das ist kein Krieg zwischen zwei Religionen, sondern das ist ein Kampf um die politische Macht.
Wir sollten uns davor hüten, die fragwürdige Politik des israelischen Staatspräsidenten als Alibi für den aufflammenden Antisemitismus durchgehen zu lassen.
Wir sollten uns genauso davor hüten, den Terroristen der Hamas die Würde des Islam zuzusprechen. Und wir sollten umgekehrt den Islam nicht mit dem Terror der Hamas gleichsetzen. Dasselbe gilt für den aus Afghanistan geflüchteten Sulaiman A. in Mannheim, der sich als Verteidiger des Islam sieht, mit seiner Gewalttat aber das Gegenteil von dem tut, was der Koran als rechten, gottgefälligen Weg beschreibt. Das gilt genauso für alle, die ihn für seinen Angriff auf das Leben anderer auch noch als Helden feiern.
Richtig ist: Michael Stürzenberger, an dessen Stand die Messerattacke in Mannheim stattfand, hat mit seiner islamfeindlichen Hetze selbst Hass geschürt. Nicht ohne Grund steht er unter der Bobachtung des Verfassungsschutzes; aber das rechtfertigt keine Messerattacke gegen ihn und erst recht nicht gegen Unschuldige wie den getöteten Polizisten. Auch der Koran rechtfertigt das nicht. Hass und Hetze, Terror und Gewalt haben keine Religion. Gottes Botschaft ist Frieden zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft. Punkt.

An die eigene Nase fassen ist immer besser als mit dem Finger auf andere zu zeigen. Deshalb denke ich, es ist gut, dass der Epheserbrief uns in diesen Tagen in Erinnerung bringt: Als Christen sind wir Dazugekommene. Gott hatte seine Geschichte mit den Menschen und mit seinem Volk schon längst begonnen, ehe es überhaupt Christen gab. Wir haben da kein Erstgeburtsrecht, sind keine „Ureinwohner“, sondern Neigschmeggde. Wir sind Gastarbeiter des Glaubens, religiöse Migranten. Wir sind diejenigen, die „auch“ mit dazugehören. Ein gutes Stück Demut im Verhältnis zum Judentum steht uns da gut an – nicht nur wegen und nicht nur seit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Mit Demut meine ich den goldenen Mittelweg zwischen Überheblichkeit und Minderwertigkeitskomplex. Der Zugang zum Vater ist kein Grund, auf andere herabzuschauen. Gott hat seinen Himmel geöffnet für alle seine Menschenkinder.

Das wird hier in einem Bild beschrieben – dem Bild vom Wohnen. Dieses Bild wird gleich zweimal verwendet – je etwas unterschiedlich. Zuerst heißt es: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Gott schenkt Euch Wohnrecht – nicht nur für einen Besuch oder übergangsweise, sondern auf ewig. Ihr seid Gottes Mitbewohner, habt einen Platz in Gottes WG. Da seid Ihr nicht die einzigen. Gott hat auch anderen Wohnrecht gewährt, die wir vielleicht nicht ausgewählt hätten. Aber damit müssen wir leben. Wenn ich das Wohnrecht anderer in Frage stelle, dann stelle ich damit auch mein eigenes Wohnrecht in Frage, denn ich stelle damit Gottes Urteilsfähigkeit in Frage, der ich doch mein eigenes Wohnrecht verdanke. Oder anders gesagt: Ich setze mich an Gottes Stelle. Ihr seid Gottes Hausgenossen. Ohne Wenn und Aber. So hat Gott es bestimmt – für Euch und für alle anderen aus nah und fern.

Und dann wechselt das Bild: Durch Christus Jesus … werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. Ihr wohnt nicht nur mit in Gottes Haus, sondern Ihr seid ein Teil der Wohnung Gottes. Gott wohnt in Euch. Ihr seid Gottes Zuhause. Er bereitet sich einen Platz in Euch. „Siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ hat Jesus gesagt. Ihr seid der Ort, an dem Gott sich eine Wohnung bereitet hat. Gott selbst ist es, der da baut. Gott selbst hält das Ganze zusammen. Und Gott macht Euch zu seiner Wohnung.

Alle, die ein Teil dieser Wohnung sind, sind damit auch untereinander verbunden. Als Christen bekennen wir: Jesus Christus ist der Eckstein, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel. Wer mit Gott unter einem Dach wohnt; wer ein Baustein an seinem heiligen Tempel und in die Wohnung Gottes mit eingebaut ist, der lebt nicht für sich allein, sondern ist mit den anderen Hausgenossen und Bausteinen verbunden. Das stellt alle Unterschiede und alles trennend Erscheinende in den Schatten. Selbst die Frage, in welchen Formen jemand seinen Glauben lebt, ist da zumindest nicht entscheidend und steht nicht an erster Stelle. Allen miteinander ist uns Gottes Schöner-Wohnen-Programm aufgetragen. Und das heißt schlicht Frieden. Wetteifern wir darum – nicht wer Recht hat, sondern wer am meisten dem Frieden dient. Treten wir den Hass-Predigern entgegen – ganz gleich, aus welchem Lager sie kommen.

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